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Dritte Veranstaltung des Internationalen Demokratiepreises Bonn in der Reihe „Demokratie lebt vom Mitmachen“

Bundespräsident a.D. Joachim Gauck in der Bonner Universität zum Thema „Unsere Demokratie muss wehrhaft sein“

Kaum ein Platz blieb frei, als Bundespräsident a.D. Joachim Gauck am 14. Mai 2024 in der Aula der Universität Bonn zum Thema Demokratie sprach. Eingeladen hatten der Internationale Demokratiepreis Bonn e.V.(IDP) und die Universität Bonn. Gauck kam in der Reihe „Demokratie lebt vom Mitmachen“ zu Wort, die der IDP-Verein mit den Hochschulen der Region ins Leben gerufen hat, um auch zwischen den Verleihungen des Preises das Thema im Bewusstsein zu halten. Dass der Vortrag unmittelbar im Vorfeld der Feiern zum 75. Jubiläum des Grundgesetzes stattfand, gab ihm eine zusätzliche Aktualität.

Nach der Begrüßung von über 600 Vertreterinnen und Vertretern der Bonner Stadtgesellschaft, darunter Oberbürgermeisterin Katja Dörner, durch Prof. Dr. Dr. hc Michael Hoch, führte die Stellv. Vorsitzende des IDP, Prof. Dorothee Dzwonnek, in das Thema ein, nannte prägnante Stationen in der Biographie des ehemaligen Bundespräsidenten und beschrieb anschaulich den Bereich, der immer zuerst den Angriffen der Demokratiefeinde ausgesetzt sei: den Rechtsstaat.

In seinem anschließenden fast einstündigen Vortrag warf Gauck einen persönlichen Blick auf den aktuellen Zustand der Demokratie und ihre Wehrhaftigkeit und erinnerte dabei auch an die unterschiedliche gesellschaftliche Sozialisation in Ost und West. Unter dem Titel „Unsere Demokratie muss wehrhaft sein“ ging er der Frage nach, weshalb das Vertrauen vieler Bürger in unsere liberale Demokratie erschüttert ist. Was, so Gauck, ist es denn, was unsere Demokratie von außen und auch innen bedroht und wie kann man dem begegnen?

Der ehemalige Bundespräsident führte aus, dass in unterschiedlichen Regionen der Welt, in Ost und West, zunehmend autoritäre Führer die Herrschaft des Rechts negieren und an

diese Stelle das „Recht des Stärkeren“ setzten. Zu lange habe man an ein konstruktives Miteinander und an partnerschaftliche Aktivitäten mit Russland geglaubt. Viele Menschen in der freien Welt seien daher verstört und suchten nach Antworten für diese neue Ära. Durch Klimakrise, Migration, Digitalisierung, künstliche Intelligenz und nicht zuletzt durch den russischen Überfall auf die Ukraine und den Terror der Hamas und seine Auswirkungen sei auch unser Land (wie viele andere Staaten) mit Herausforderungen konfrontiert, die der Demokratie und unserer Gesellschaft weit mehr abverlangen, als in den Jahrzehnten zuvor. In einer Ära des forcierten Wandels entstehe daher bei vielen Bürgern Unsicherheit und Angst. Deshalb, so Gauck, brauchen wir in der demokratischen Mitte neue Begegnungsformate, die auf Sorgen und Ängste der Verunsicherten eingehen und zudem neue Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung und auch zur Teilhabe auf kommunaler Ebene entwickeln. Unabdingbar, so Gauck, sei eine deutliche Stärkung der politischen Kommunikation.

Im anschließenden Gespräch mit Prof. Dorothee Dzwonnek ergaben sich interessante Hinweise für das Publikum, wie konkret das eigene Handeln werden könne. Wenn sich die Komplexität der politischen Probleme erhöhe, müsse die Politik ihre Botschaften anpassen, um zu den Wählerinnen und Wählern durchzudringen, am besten mit erhellenden Vereinfachungen, die es erlaubten, Probleme so zu beschreiben, dass demokratische Lösungen und Kompromisse möglich werden. Er selbst, so Gauck, greife im Diskurs mit Menschen, die sich unserer Demokratie feindlich gegenüberstellen, oft zum Mittel des Vergleichs und frage, wo es denn besser gelinge mit den Problemen umzugehen als bei uns. In diesen Zeiten komme es, so Gauck, besonders darauf an, zu bewahren, was sich bewährt hat und was uns beheimatet und gleichzeitig Haltungen zu verändern, die uns lähmen, uns unglaubwürdig und unsolidarisch machten. Unsere Demokratie müsse immer wieder neu mit Leben gefüllt und vor allem von verantwortungsbewussten Bürgerinnen und Bürgern auch gegen Widerstände verteidigt werden. Das gelte auch in Deutschland. Zwar sei hier die Radikalisierung vorrangig an den politischen Rändern zu beobachten und die Mehrheit der Deutschen verorte sich immer noch in der politischen Mitte, aber trotzdem seien alle aufgerufen, wachsam zu sein. Eine Demokratie brauche den selbstbewussten und verantwortungsbereiten Bürger, der den Raum, der ihm zur Gestaltung übereignet ist, auch gestalten will und zu gestalten weiß. Gauck: „Der Staat, die Demokratie sind WIR. Der Staat und die Demokratie können nur so funktionsfähig, effektiv, tolerant, lebens- und liebenswert sein, wie WIR sie gestalten.“